Warum und wie ich mich zur Therapie entschloss – die „Story“

Das Maß war voll. Alles war zu viel in meinem Leben. Alkohol hatte nur noch die eine Funktion: bitte den Stress loswerden und bitte nichts fühlen. Meine Beziehung zu meinem Partner hing am seidenen Faden, er hatte enorme Probleme mit in die Beziehung gebracht, ich selbst hatte auch mit meinem Familienleben zu kämpfen. Es krachte nur noch und nach jedem Streit war die Weinflasche auf. Ich trank meistens alleine, versicherte mir „nur die Flasche“. Nein, am Schluss waren es meistens zwei bis drei.

Als es für mich persönlich nicht mehr auszuhalten war, war es zum Glück Sommer, auch im Urlaub trank ich. Ich musste nicht zur Arbeit und konnte somit hervorragend alle unguten Gefühle einfach wegballern. Ich trank schon ab mittags, verteilt über den Tag und stand am nächsten Morgen mit einem üblen Kater auf. Zur Mittagszeit bestellte ich schon das erste Glas Weißwein….ein fataler Teufelskreis, den ich cirka 10 Tage mitmachte.

Am 10. Tag dann hatte ich ein Telefonat mit meiner Suchtberaterin. Sie merkte sofort, dass etwas anders mit mir war. Heulend schluchzte ich ihr all meine Verzweiflung ins Telefon und den Wunsch einfach nur noch zu trinken um diese Probleme zuzuschütten. Sie erkannte, dass ich in diesem Moment keine Alternative zum Alkoholkonsum hatte. Daher lautete die Empfehlung, mich per Notfall in eine Entgiftungsstation bringen zu lassen.

Ich nahm diesen Rat an. Denn ich konnte einfach nicht mehr. Ich wusste, dass ich morgen früh wieder trinken würde- eigentlich ein absolutes No-Go, aber ich konnte mit meinem seelischen Tief nicht anders umgehen.

Somit tat ich den ersten wichtigen Schritt: ich ging in die Entgiftung; ich packte ziemlich angetrunken meinen Koffer, trank unterwegs bei einem Zwischenstopp noch vier Gläser Wein in einer Gaststätte, ich genoss förmlich das letzte Glas Wein, sang auf dem Beifahrersitz laut zur Musik. Ich war traurig wegen den Beziehungsproblemen und gleichzeitig feierte ich, dass ich endlich einen Schlussstrich unter den Alkohol anfing zu ziehen.

Ich trat meine Entgiftung mit 1, 5 Promille an. Die erste Nacht im Krankenhaus war ein Alptraum. Würde ich es durchhalten? Die Nachtschwester war ein Engel. Genau wie all die anderen Engel, die mich die nächsten Monate begleiten werden würden. Nach der Entgiftung entschloss ich mich zum nahtlosen Übergang in eine Rehaklinik….

Der erste richtige Schritt Richtung Abstinenz war getan. Es fühlte sich komisch an und ich wusste nicht, wie die Tage ohne Alkohol werden würden.

Aber es gab für mich keine Alternative: entweder Entgiftung oder Therapie oder weiter konsumieren. Ich wollte endlich richtig mit dem Alkohol aufhören .

Der Entschluss stand. Es gab kein Zurück mehr. Ich konnte nicht mehr. Mein persönlicher Tiefpunkt war erreicht.

Aus der Retrospektive betrachtet war dieser Tiefpunkt nötig. Nötig war auch die Einsicht, dass es so wirklich nicht mehr weiter geht und die Erkenntnis, dass ich es ohne professionelle Hilfe nicht schaffen würde. Meine Problematik war zu verstrickt, meine Krankheit bereits zu weit fortgeschritten. Aber das erfuhr ich erst nach und nach in der Therapie.

Zunächst werde ich aber erst von der Entgiftung berichten. Warum sie für mich Sinn gemacht hat und was ich dort erlebt habe, wird Thema des nächsten Beitrags sein.

Habt eine schöne Zeit. ☀️

Eure Freya

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Tag 43: Wo gibt es Hilfe bei einem Alkoholproblem? Teil 1

Bevor ich die oben formulierte Frage beantworte, möchte ich sofort klarstellen, dass es immer und zu jeder Zeit in Ordnung ist, sich Hilfe zu suchen. Warum betone ich das so? Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass ich das Hilfe in Anspruch nehmen zu lange vor mich hingeschoben habe, aus Angst und Scham „Alkoholikerin“ zu sein. Oder weil ich meinte, nur wirklich alkoholabhängige Menschen suchen sich dann Spezialisten und Unterstützung. Mir war nicht klar, dass lediglich das Gefühl reicht, zu viel zu konsumieren, um sich gezielt Hilfe suchen zu können.

Viele Menschen trauen sich vielleicht nicht, in einem frühen Stadium der Alkoholsucht Hilfe zu suchen, weil „es ja noch nicht so schlimm ist“, weil es letztendlich ein Eingeständnis ist, dass man irgendwie ein Problem mit Alkohol hat. Meine Meinung ist: sobald eine Person das Gefühl hat, dass er oder sie zu viel Alkohol konsumiert und diese Droge allmählich an Überhand gewinnt, dann sollte man sich Hilfe suchen. Nur die Person allein kann das „Zu viel“ beurteilen, niemand anders.

Und noch ganz wichtig: Die Leute, die man nämlich um Hilfe aufsucht, verurteilen dich nicht. Sie sind entweder vom Staat oder einer Hilfsorganisation dafür bezahlt, das Schlimmste in deinem Leben zu verhindern oder sie setzen sich ehrenamtlich ein, weil sie begriffen haben, wie gefählich Alkohol für manche Menschen sein kann. Manche von ihnen leben selbst abstinent (warum, das spielt ja eine untergeordnete Rolle).

Ich rate jedem, der sich Hilfe suchen möchte, die Suchtberatungsstelle der jeweiligen Stadt aufzusuchen. Ich weiß, hört sich blöd an: Suchtberatungsstelle!!! Bin ich wirklich süchtig? Nein, ich doch nicht! Wisst ihr was? Es ist doch zweitrangig, ob man süchtig ist, oder nicht, ob man sich auf dem Weg in die Sucht befindet oder schon mitten drin steckt. Wichtig ist doch, dass man ein Alkoholproblem hat und mit diesem aufräumen möchte! Das ist doch eine wichtige Erkenntnis und das Beste ist es dann eben mit Leuten zu sprechen, die sich damit auskennen und die dir aufgrund ihrer meistens therapeutischen Ausbildung helfen können. Meine Erfahrung war, dass ich gemeinsam mit meiner Therapeutin über Triggersituationen gesprochen habe, darüber wie ich die nächste Zeit mit oder ohne Alkohol leben will. Ich versuchte mit ihrer Hilfe einen Plan aufzustellen um bewusst und kontrolliert zu trinken. Die Gespräche waren von großer Freundlichkeit und Verständnis geprägt und ich habe jedesmal sehr positiv gestimmt und optimistisch die Suchtberatungsstelle verlassen.

Hier eine Internetadresse, die bei der Suche nach einer passenden Beratungsstelle hilfreich sein kann:

https://www.a-connect.de/beratungsstellen.php

Ich habe in das dafür vorgegebene Feld meine Stadt eingegeben, in der ich lebe und es wurde wirklich die Beratungsstele angezeigt, zu der ich regelmäßig gehe. Wenn ihr euch nicht traut, dort anzurufen, dann schreibt eine Mail und ihr wedet sicherlich eine Antwort erhalten.

Die meisten der Berartungsstellen sind zudem ein wenig außerhalb der Stadt oder versteckt gelegen, ich vermute, um die Anonymität ihrer Besucher zu wahren. Und was noch ganz wichtig ist: Die Beratungsstellen arbeiten unter Schweigepflicht und sie sind gratis. Man muss dort auch nicht die Krankenkassenkarte vorlegen. Also, kein Grund zu falscher Scham. Gemeinsam mit dem Therapeuten oder der Therapeutin wirst du sicherlich den passenden Schritt für dich finden, zumal du das Gefühl haben wirst, endlich dein Leben ein Stück weit in die Hand zu nehmen und aktiv und nicht allein dich mit dem Problem auseinander zu setzen.

Ich gehe nun fast zwei Jahre zu der Beratungsstelle und ich habe mich dank den Gesprächen, die ich alle ein bis zwei Monate geführt habe, angefangen mich mit meinem Alkoholproblem auseinanderzusetzen, mir Informationen rund um die Sucht zu beschaffen. Auch habe ich mir oft Ziele gesetzt, welche Mengen ich vorhabe zu trinken und wie viele konsumfreie Tage ich mir für die Woche vornehme. Ich habe leider oft die Erfahrung gemacht, zu scheitern, über meine mit mir selbst vereinbarte Menge getrunken zu haben. Aber: es gab auch immer wieder Tage, an denen ich als Siegerin hervorging und es gab im Laugfe der Zeit Tage ohne Alkohol, mit wenig Alkohol. Ich refelktierte meinen Umgang mit Alkohol und das war in meinen Augen der erste Schritt.

Seit den Besuchen in der Beratungsstelle habe ich mir auch angewöhnt, nicht länger von „Alkoholabhängigkeit“ zu sprechen. Ich für mich habe ein Problem mit Alkohol. Ich kann ihn nur schlecht kontrollieren. Und ich spreche auch nicht mehr von „Verzicht“ auf Alkohol oder davon „keinen Alkohol trinken zu dürfen“. Ich spreche von Abstinenz und konsumferien Tagen. Auf diesem Wege hört mein Unterbewusstsein nicht ständig das Wort „Alkohol“ und ich fokussiere auf die Freiheit in meiner Entscheidung. Ich lebe frei von Konsum, ich bin eben abstinent. Warum und weswegen? Ist das wichtig? Es geht mir gut damit und es ist meine Entscheidung- jeden Tag aufs Neue.

Deshalb: Erst wenn man beginnt, sich aktiv im draußen Hilfe zu suchen, beginnt man sich dem Problem wirklich zu stellen. Bis dahin versucht man es oft allein und scheitert eventuell bis schon vieles geschehen ist, was hätte verhindert werden können.

Erkenntnis des 43. Tages: Wer sich nicht selbst helfen will, dem kann niemand helfen. (Pestalozzi)

Ich wünsche allen einen wunderbaren Abend. Bis bald sagt Eure

Freya