Momentan fällt es mir gar nicht mehr auf, dass ich ein Leben ohne Alkohol führe. Höchstwahrscheinlich deshalb, weil ich den Alkohol überhaupt nicht vermisse. Klar denke ich an Alkohol in Zusammnehang mit meinen Blog und folglich reflektiere ich mein Denken und Empfinden bevor ich mich zu einem speziellen „Content des Tages“ entscheide, aber momentan fühle ich wirklich null Bedürfnis zu trinken. Wie ihr meinen vorherigen Einträgen entnehmen könnt, war das nicht von Beginn meiner Abstinenz an der Fall. Offensichtlich braucht der Körper ud der Geist jedoch einige Zeit, um sich ein anderes und neues Gewohnheitsmsuter zuzulegen. Diese Zeit muss sich der Mensch, der beschließt keinen Alkohol zu trinken, unbedingt einräumen. Ich kann nur anhand meiner eigenen Erfahrung bestätigen, dass sowohl das Bedürfnis als auch der Gedanke nach Alkohol im Laufe der Zeit geringer wird und an manchen Tagen komplett verschwindet.
Was aber, wenn doch eines Tages der Wunsch nach Alkohol so stark wird, dass selbst mein Notfallplan (ich schrieb darüber im vorletzten Eintrag) nicht greifen wird oder ich ihn bewusst ignoriere um doch zu trinken? Wenn ich die Kontrolle dann verlieren und mehr als geplant und gesundheitlich noch im Rahmen trinken werde? Nun ja, erstens werde ich am nächsten Tag wieder einen grausamen Kater haben, und dann?
Wenn ich es nüchtern betrachte, habe ich nach dem Trinken nur zwei Möglichkeiten, damit umzugehen: Die erste Option wäre à la „Einmal ist Keinmal“, und ich würde es als Anlass nehmen wieder Alkohol zu konsumieren. Ich sehe aber bereits jetzt die Gefahr, schneller als gedacht in meine alten Trinkmuster zu verfallen und es eventuell noch wilder und bunter zu-und hergehen zu lassen wie vor der abstinenten Zeit, quasi als Kompensation. Dass dies passieren kann, schreibt auch Daniel Schreiber in seinem Buch “ Über das Trinken und das Glück“. Folglich, und dass es gilt es sich einzugestehen, zieht man sich noch tiefer in seine Alkoholproblematik hinein.
Von diesem Szenario wenig begeistert, scheint es die zweite und weitaus bessere Variante zu sagen: Okay, es ist passiert, ich fange von vorne an, wieder Tag Null. Ich führe mir vor Augen, wie gut sich die alkoholfreie Zeit für mich angefühlt hat, welche Gründe dafür sprechen, es weiterhin zu versuchen und direkt ab dem nächsten Tag wieder das erste Glas stehen zu lassen. Denn im Grunde genommen habe ich ja keine andere Wahl. Das Leben wird weiter gehen und ich entscheide am kommenden Tag nach dem Konsumieren von Alkohol ja, wie es denn dann weiter gehen wird. Ich werde mich auf keinen Fall für das Trinken verurteilen (warum auch? andere trinken ja auch), ich werde mir nur mein Alkohoproblem eingestehen und vor diesem Hintergrund bewusst wieder versuchen, den abstinenten Weg einzuschlagen, um mich, meine Familie und meine Gesundheit zu schützen.
Nachdem ich die oben formulierte Frage „Was,wenn ich doch wieder trinke“ für mich geklärt habe, ist es nicht mein Ziel, nun doch eine Legitmation zu haben, wieder trinken zu können, weil ich mir heute vorgenommen habe, nach dem „Ausrutscher“ anschließend weiterhin abstinent zu leben. Das wäre fatal und reiner Selbstbetrug. Menschen mit einem Alkoholproblem müssen ehrlich zu sich sein. Ich werde einfach weiterhin jeden Tag probieren, nein zu sagen.
Aber auch ich weiß, dass ich schwach bin und der Tag X der Versuchung doch etwas Alkoholisches zu trinken nahen kann. Deshalb hilft mir momentan das Vertrauen auf Gott, von dem ich mir die nötige Kraft Tag für Tag erbete. Ich bin keine sehr gläubige Person, aber weise genug um zu verstehen, dass an diesem Punkt nur eine Verlagerung in die Transdendenz hilft, in die Einsicht, Vertrauen in eine Kraft zu haben, die stärker ist als man selbt, um gewappnet zu sein für den Augenblick, in dem man es aus eigener Kraft nicht zu schaffen vermag.
Erkenntnis des 41 Tages: Lasse das erste Glas nach einem Ausrutscher wieder stehen, verurteile dich nicht dafür.
Ganz herzliche Grüße an die Welt da draußen und eine wunderbare Nacht.
Eure Freya